Zertifizierung für BGM/ BGF Angebote notwendig?!

Seit geraumer Zeit informieren Steuerkanzleien ihre Unternehmerkunden, dass betriebliche Gesundheitsangebote ab dem 1. Januar 2019 zertifiziert sein müssen, um diese weiterhin steuerlich geltend machen zu können. Die Unternehmen wenden sich dann mit ihren Fragen an Krankenkassen oder den vertrauten BGF Anbieter, der schon seit Jahren Gesundheitsangebote im Betrieb umsetzt. Leider führen die Antworten häufig nicht zur Klarheit sondern zur Verunsicherung und bergen die Gefahr, dass über Jahre etablierte Gesundheitsangebote im Extremfall ausgesetzt werden.

Welche Maßnahmen müssen zertifiziert sein? Wer zertifiziert diese Angebote und welche Qualifikationen muss der externe Anbieter aufweisen, um diese betrieblichen Ausgaben auch weiterhin steuerlich geltend machen zu können?

Jährlich können Arbeitgeber pro Mitarbeiter bis zu 600€ aufwenden, ohne diese als geldwerten Vorteil für Mitarbeiter versteuern zu müssen (ab 01/2020).
Entsprechend §3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzt (EStG) sind Maßnahmen „zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20 und 20b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genügen“ einkommensteuerfrei.

Doch was bedeutet das konkret?

  • Maßnahmen müssen laut Präventionsleitfaden (PrävL. S. 105) den BGF Handlungsfeldern zuzuordnen sein (z.B. gesundheitsgerechte Führung, bewegungsförderliches Arbeiten und Beschäftigte, gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen etc.)
  • Die Angebote sollen im BGF Prozess eingebettet sein (Analyse à Umsetzung à Evaluation) D.h., dass zunächst der Bedarf bei den Beschäftigten ermittelt wird, bevor Maßnahmen umgesetzt werden. Im Anschluss muss eine Wirksamkeitsprüfung (Evaluation) erfolgen.
  • Verhaltensbezogene Gesundheits- bzw. Präventionskurse müssen durch die Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP) oder Krankenkassen zertifiziert sein. Dazu zählen z.B. Kursformate wie Rückenfit, Entspannung, Yoga, Herz-Kreislauf Training, Faszientraining etc. Bewegte Pausen am Arbeitsplatz fallen nicht unter diese Zertifizierungspflicht.
  • Anbieter von BGF Maßnahmen müssen seit 2019 sogenannte Anbieterqualifikationen erfüllen. Diese variieren je nach Handlungsfeld und reichen von Bewegungsfachberufen mit diversen Zusatzqualifikationen bis hin zu einem staatlich anerkannten Studienabschluss mit Kenntnissen in Public Health und Organisationsentwicklung (PrävL. S. 106ff).
  • Ab Oktober 2020 besteht auch für berufliche „Quereinsteiger“, die keinen Bewegungsfachberuf aufweisen die Möglichkeit, durch eine spezielle Fortbildungsserie (Umfang 1-2 Jahre) Präventionsangebote und damit zertifizierte BGF Maßnahmen durchführen.

Leider sind die gesetzlichen Angaben z.T. sehr „weich“ formuliert und damit nicht immer eindeutig zu verstehen. Zum leichteren Verständnis wird vom Bund seit über einem Jahr an einer Umsetzungshilfe für Unternehmen sowie Anbieter gearbeitet (vgl. Homepage GKV Spitzenverband). Bis zu deren Erscheinen werden sicherlich noch viele Steuerbüros, Unternehmen sowie private BGF-Anbieter im Halbdunkel agieren. Im Worst Case könnten deshalb einige Unternehmen ihre internen Gesundheitsprojekte sogar zurückfahren oder ganz einstellen.

Um diesen Innovationsrückschritt zu vermeiden, sollen die nachfolgenden  Praxistipps allen BGM/ BGF-Akteuren als Orientierung dienen und mehr Sicherheit geben.

Aspekt der Zweck- und Zielgerichtetheit:

  • In KMU bis 50 Mitarbeiter: Frage deine Beschäftigten bei der Mittagspause, im Meeting oder über eine kurze Online Umfrage an, welche Gesundheitsmaßnahmen gewünscht sind.
    Beschränke dich dabei auf 3 Auswahlmöglichkeiten.
    --> das Ergebnis wird als Minimalanalyse für den Fall einer Steuerprüfung dokumentiert!
  • Unternehmen können auch im Zusammenhang mit einer gesetzlich verpflichtenden psychischen Gefährdungsbeurteilung eine Analyse realisieren und damit den Bedarf an Gesundheitsmaßnahmen ermitteln. 
    So können zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.

Aspekt der Qualität:

  • Unternehmen fragen private Anbieter, ob deren Kursangebote von der ZPP zertifiziert sind.
  • Bei Unsicherheit, ob der Anbieter auch die Anbieterqualifikationen erfüllt, sollten Betriebe vorzugsweise auf Bewegungsfachberufe (Hochschulabschluss bzw. Therapeuten) zurückgreifen.
  • Sämtliche Angebote müssen in ihrer Wirkung auf die Gesundheit evaluiert werden. Anbieter und Unternehmen müssen diese Aufgabe mit einplanen. Evaluationen können sehr einfach gestaltet sein (z.B. Mini Fragebogen am Ende eines Kurses, schriftliche Einschätzung des Anbieters, Teilfragen im Mitarbeitergespräch oder eine interne Online Abfrage im Halbjahresrhythmus).

Oberste Priorität sollte der Erhalt bzw. Ausbau betrieblicher Gesundheitsangebote haben.
Auch wenn sich die Vorgaben etwas verschärfen, dienen diese letztendlich zum Qualitätserhalt.
Mit dem hoffentlich zeitnahen Erscheinen der Umsetzungshilfe vom Bund wird noch mehr Klarheit für Betriebe, Krankenkassen und private Anbieter geschaffen.

Mai 2020

Autor:
Dirk Hübel
Geschäftsführer - HFA BGMplus
Vorstand im Bundesverband betriebliches Gesundheitsmanagement e.V. [BBGM]

 


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